Wozu eigentlich singen?

Text mit freundlicher Genehmigung von Maria Bechheim. http://www.aktiv-gesunden.de


Singen ist für jeden von uns von unschätzbarem Wert. Es hat einen großen Einfluss auf unser seelisches und körperliches Befinden.

 

Wie wirkt Singen?

Das eigene Singen öffnet den Zugang zum inneren Erleben. Es ist das Seelen- und Gefühlsleben, das durch Singen angesprochen wird. Schon das Achten auf den Atem lenkt das Bewusstsein nach innen. Die vom Verstand beherrschten Gedanken oder Grübeleien verlieren sich dadurch allmählich. Durch ein passendes Lied, das wegen seiner Melodie, Text oder Rhythmus geliebt wird, bekommen innere Stimmungen einen Ausdruck. So lassen sich z.B. Gefühle wie Freude und Dankbarkeit durch ein entsprechendes Lied intensiv nachempfinden. Auch negative Stimmungen wie Traurigkeit, Ärger oder Verzweiflung können durch das Singen eines passenden Liedes leichter bewältigt werden. Mund und Atem lassen alles, was an innerem Druck hochkommen will, nach außen abfließen. So verhindert das Singen, dass sich ein allzu starker innerer Druck aufbaut, der zu körperlichen Beschwerden und schließlich in die Krankheit führt.

 

Befreiendes Singen 

Zu allen Zeiten haben Menschen ihre Emotionen über Lieder ausgedrückt und sich dadurch Erleichterung verschafft. In den sogenannten Gospels besangen Sklaven ihre Not und ihre Sehnsucht nach Erlösung. Kirchliche Lieder haben oftmals ein ähnliches Grundthema. Doch auch andere Lieder können Trost geben und Angst vertreiben. In vielen Volksliedern richtet sich der Blick auf die Schönheiten der Natur, auf Veränderungen im Ablauf der Jahreszeiten, und dieses Betrachten lässt ein Gefühl der Dankbarkeit für die Schöpfung entstehen. Auch Schlager sind heilsam, denn sie erzählen von glücklichen und traurigen Erfahrungen, die kaum einem Menschen erspart bleiben und von daher gut nachempfunden werden können. Sich den Schmerz von der Seele singen, kann Kraft geben, es mit dem Leben wieder neu aufzunehmen.

Singen bewegt den ganzen Menschen 

 

Doch Singen wirkt nicht nur auf das seelische Befinden, sondern beeinflusst auch die körperliche Verfassung nachhaltig. Am Singvorgang sind viele Organe unmittelbar beteiligt: der Kehlkopf mit den Stimmbändern, die Lunge mit dem Atem, der Mund mit Zunge, Lippen, Kiefer und Gaumen, die Nase mit allen Räumen und nicht zuletzt das Ohr. 

 

Tatsächlich erfasst das Singen den ganzen Körper, denn es werden Prozesse in Gang gebracht, die sich auf den gesamten Organismus auswirken: Die Atmung wird intensiviert, die Lungen weiten sich und werden bis in die äußersten Winkel belüftet, mehr Sauerstoff gelangt in den Blutkreislauf, die Durchblutung aller Gewebe wird verbessert, der Stoffwechsel angeregt und die Entschlackung gefördert. 

 

Der Singvorgang selbst lässt sich technisch kaum beschreiben, denn eine Fülle unterschiedlich wirkender Muskeln ist beteiligt und wechselt zwischen Anspannung und Entspannung. Es hat zunächst den Anschein, dass nur die Muskulatur des Kopf-, Hals- und Oberkörperbereichs zum Einsatz kommt, doch bei entsprechender Übung gelingt es immer mehr, durch gezielten Einbezug des Zwerchfells, der Bauchmuskulatur, der Flanken und des Beckenraums den Resonanzraum zu erweitern, was sich im Klang niederschlägt und auf die inneren Organe wie eine sanfte Massage wirkt. Es ist erstaunlich zu beobachten, was Singen bewirkt: die Haltung ändert sich, der Körper wird lockerer und flexibler, die

Körperwahrnehmung deutlicher. Singen ist Körperarbeit. Selber singen bedeutet, nicht von außen her gelebt zu werden, sondern selbst etwas tun, sich selber auszudrücken und zu formen über Stimme, Atem und Körper.  

 

Autorin dieses Artikels: Maria Bechheim
(erschienen in der Zeitschrift der Deutschen Tinnitus-Liga, "Tinnitus Forum", 3/2002 S. 30f.)